Judith Auer

19. September 1905, Zürich – 27. Oktober 1944
Judith Auer

Judith Auer

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Judith Vallentin kommt als Tochter des kommunis­tischen Schriftstellers Erich Vallentin und seiner Frau Margaret 1905 in Zürich zur Welt. Sie wächst in Berlin auf und beginnt nach dem Abitur ein Musik­studium in Leipzig. Bereits als Studentin schließt sie sich dem Kommunis­tischen Jugendverband (KJVD) an und übernimmt 1925 die Organisationsleitung einer Weddinger KJVD-Gruppe. Sie heiratet 1926 den KPD-Funktionär Erich Auer, 1929 kommt die Tochter Ruth zur Welt. Die Ehe wird 1939 geschieden.
Judith Auer tritt 1927 in die KPD ein. Seit den 1930er Jahren arbeitet sie als Einkäuferin im Berliner Kabelwerk Oberspree. Auer sammelt Nachrichten und hilft politisch Verfolgten. 1942/43 stößt sie zur Widerstands­gruppe um Anton Saefkow und bietet Franz Jacob nach seiner Flucht aus Hamburg ein Versteck. Sie reist mehrmals als Kurierin nach Mitteldeutschland und knüpft Verbin­dun­gen zur Widerstandsgruppe um Theodor Neubauer.
Sie wird Anfang Juli 1944 vor einer drohenden Fest­nah­me gewarnt, kann sich wegen ihrer Tochter jedoch nicht zum Untertauchen entscheiden. Judith Auer wird am 7. Juli 1944 festgenommen und am 6. September 1944 vom „Volksgerichtshof” zum Tode verurteilt. Sie wird am 27. Oktober 1944 im Straf­gefängnis Plötzensee ermordet.

Dokumente

Judith Auer mit ihrer Tochter Ruth, um 1938

Bundesarchiv 523/66

Anklageschrift gegen Judith Auer, Lucie Beltz, Bruno Hämmerling, Willi Sänger, Franz und Erna Schmidt und Johanna Steinbach, 7. August 1944

Bundesarchiv R 3018/1558

Urteil des „Volksgerichtshofs” gegen Judith Auer, Lucie Beltz, Bruno Hämmerling, Franz und Erna Schmidt und Johanna Steinbach, 6. September 1944

Bundesarchiv R 3018/1558

Auer, Judith
Frauenstrafgefängnis
Berlin NO 18, den 13. September 1944
Barnimstraße 10
Gnadengesuch

Am 6.9.44 wurde ich wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt. Ich weiss, dass ich harte Strafe verdient habe, bitte aber voller Reue um Gnade. Ich habe sehr viel Schweres in meinem Leben durchgemacht und kann mir meine Verfehlungen nur mit meinem völligen seelischen und körperlichen Zusammenbruch, an dem ich seit Ende 1942 leide, erklären. Mein Vater wurde, nachdem er als Armierungssoldat vor den ersten Linien neue Gräben ausgeworfen hatte, Ende 1917 von der Front an der Somme wegen einer schweren Furunkulose und völliger Nervenzerrüttung aus dem Heeresdienst entlassen, so dass unsere Mutter neben uns 5 Kindern auch noch einen kranken Mann versorgen musste. Sie starb im Februar 1918 an der Schwindsucht und mein Vater folgte ihr durch dieselbe Krankheit ein halbes Jahr später ins Grab.
So wurde ich mit 12 Jahren Vollwaise. Wenn ich auch von unsrer Erzieherin, einer Freundin meiner Eltern viel Liebe empfing, konnte ich den Verlust der Eltern nie recht verwinden. Erst als mein eigenes Töchterchen geboren wurde, konnte ich etwas vergessen. – Meine Ehe war von Anfang an nicht glücklich. Es steht mir in meiner jetzigen Lage nicht an, jemanden anzuklagen oder schlecht zu machen, ich bitte es daher auch nicht so aufzufassen, wenn ich sage, mein Mann war ein grosser Egoist. Er ist so geworden sicher, weil er durch eine Ver-


wachsung als Kind viel an Lungenbluten litt und deshalb von seiner Mutter immer verwöhnt wurde. Ich selber will zugeben, dass ich sehr überempfindlich und leicht reizbar bin, so dass die Ehe eben schliesslich kaputt ging. – Durch mein grosses Mitempfinden mit dem Elend und Kummer andrer, wurde ich früh zur Sozialistin. Wenn ich auch früher im KJVD und in der KPD war, so stellte ich mich nach dem Umsturz doch sofort um, weil es mir einleuchtete, dass man im eigenen Vaterlande, also als National-Sozialistin, leben müsse. Ich warnte auch meinen Mann, auf dem alten Wege weiter zu gehen, was auch in seinem damaligen Prozess extra vom Richter hervorgehoben wurde. – Als der Krieg ausbrach, stellte ich meine Kräfte mehr als die meisten meiner Arbeitskameraden, in unserem Rüstungsbetrieb in den Dienst zur möglichst schnellen siegreichen Beendigung des Krieges. Doch dabei tat ich wohl zuviel des Guten und brach dann Ende 1942 vollkommen zusammen. Als daher gerade in diesem Augenblick der illegale Jacob bei mir auftauchte, war meine innere Widerstandskraft so gebrochen, dass ich eben leider gänzlich unter den Einfluss dieser Leute geriet. Dazu kam, dass ich eine furchtbare Angst um meine Freundin Anna Saefkow bekam, die damals gerade schwanger war und die ich auf jeden Fall vor allen Aufregungen bewahren wollte. Einen Mann, den ich sehr, sehr lieb gewann und bei dem ich hätte Halt finden können, gab ich auf, weil ich verstehen konnte, dass er sich trotz unglücklicher Ehe wegen seines Söhnchens nicht scheiden lassen wollte. – Lieber, gütiger Führer verzeih mir meine Verfehlungen, lass mich nicht so schuldbeladen sterben, sondern gib mir Gelegenheit noch einmal zu beweisen, wie ernst mir meine Reue ist.
Judith Auer

Gnadengesuch von Judith Auer, 13. September 1944

Bundesarchiv R 3018/1558

Protokoll der Vollstreckung des Todesurteils gegen Judith Auer, 27. Oktober 1944

Bundesarchiv R 3018/1558

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