Die Grundsteinlegung und der Entwurf von Bruno Grimmek

Am 9. September 1951 findet die feierliche Grundsteinlegung für die Gedenkstätte in Plötzensee statt. Auch hier zeigt sich die politische Aufladung des Gedenkens in der gespaltenen Stadt. Der „Bund der Verfolgten des Naziregimes” hat sich im Vorfeld bereit erklärt, auf eine eigene Gedenkfeier an diesem Tag zu verzichten, aber darum gebeten, als „grösste und massgebendste Organisation der ehemaligen Verfolgten” eine Ansprache halten zu dürfen.

Neben dem Senator für Sozialwesen Otto Bach spricht bei der Grundsteinlegung der Sozialdemokrat Ernst Tillich. In seiner Rede geht er nicht nur auf den Widerstand in den Jahren 1933 bis 1945 ein, sondern ruft zum aktuellen Kampf gegen „Neofaschismus und Stalinismus” auf. Er fordert ein „grundsätzliches Bekenntnis zur Demokratie und zur Freiheit”. Bereits am folgenden Tag protestiert ein West-Berliner mit einem Schreiben an den Senat in scharfen Worten gegen eine antikommunistische Ausrichtung der Rede von Tillich, in der er eine „Verunglimpfung” des kommunistischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus sieht.

Der „Bund der Verfolgten des Naziregimes” (BVN) ist in West-Berlin mit über 3.000 Mitgliedern die größte vom Senat anerkannte Organisation von ehemals Verfolgten des Nationalsozialismus. Viele Veranstaltungen an der ehemaligen Hinrichtungs­stätte in Plötzensee werden vom BVN entscheidend mitgeprägt.

Zu Beginn der 1950er Jahre ist das Wirken des Verbandes stark vom Kalten Krieg geprägt und BVN-Mitglieder wie Ernst Tillich schlagen scharfe antikommunistische Töne an – was nicht ohne Widerspruch bleibt.

Die Grundsteinlegung nimmt Senator Otto Bach vor. Dabei wird ein vom Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter unterzeichnetes Pergament eingemauert, das ursprünglich die Anzahl der in Plötzensee aus politischen und religiösen Gründen Hingerichteten aufgegliedert nach ihren Herkunftsländern enthalten soll.

Zwar geht Otto Bach in seiner Ansprache von 2.000 Ermordeten aus, die Zahlenangeben schwanken zu diesem Zeitpunkt jedoch weiterhin stark. So entscheidet man sich letztlich für einen allgemeiner gehaltenen Text.  

An dieser Stelle sind in den Jahren der Hitlerdiktatur von 1933 bis 1945 Hunderte von Menschen wegen ihres Kampfes gegen die Diktatur, für Menschenrechte und politische Freiheit durch Justizmord ums Leben gekommen. Unter ihnen befanden sich Angehörige aller Gesellschaftsschichten und fast aller Nationen. Berlin ehrt durch diese Gedenkstätte die Millionen Opfer des Dritten Reiches, die wegen ihrer politischen Überzeugung, ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrer rassischen Abstammung diffamiert, mißhandelt, ihrer Freiheit beraubt oder ermordet worden sind.

Text des bei der Grundsteinlegung eingemauerten Pergaments

Der Entwurf von Bruno Grimmek

Lageplan der Gedenkstätte

Bereits nach der ersten Begehung des Geländes der ehemaligen Hinrichtungsstätte im Juni 1949 hat Bruno Grimmek erste Pläne für die Gedenkstätte ausgearbeitet. Diese werden nach mehreren Überarbeitungen endgültig Anfang 1952 von Bruno Grimmek eingereicht.

Auf dem Lageplan ist der Ort der Gedenkstätte innerhalb des Gesamtkomplexes der Strafanstalt sichtbar.

Bruno Grimmek greift einzelne Gestaltungselemente aus dem ersten Wettbewerb wieder auf. Auch er grenzt den Hinrichtungsschuppen mit einer Gedenkwand von einem davor liegenden Platz ab. Die aus Tuffsteinquadern bestehende, fast zwanzig Meter lange und sechs Meter hohe Wand, der ein Podest aus drei Stufen vorgelagert ist, verdeckt in seinem Entwurf den Hinrichtungsschuppen vollständig. In ihr sind fünf Konsolsteine für Kränze eingelassen.

Zudem soll an der Wand mit Metallbuchstaben eine Inschrift zu Ehren der Opfer angebracht werden. Lautet diese im Entwurf noch „Den Opfern des Naziterrors der Jahre 1933-1945”, entscheidet man sich Ende Juli 1952 für die Formulierung „Den Opfern der Hitlerdiktatur der Jahre 1933-1945”.

Stärker als Helmut Heide bezieht Bruno Grimmek den Hinrichtungsschuppen in die Gesamtgestaltung der Anlage ein. Dieser wird nach längeren Diskussionen an drei Seiten mit einer Pergola aus immergrünen Gewächsen eingefasst, um so „den düsteren Charakter” zu mildern. Der Innenraum bleibt jedoch unverändert, lediglich der zum Erhängen der Opfer genutzte Stahlträger wird wieder eingebaut.

Erschlossen wird das Gelände der Gedenkstätte wie auch im Entwurf von Helmut Heide über den Hüttigpfad. Durch ein Eingangsportal, das flankiert wird durch zwei hohe Steinpfeiler auf der gegenüberliegenden Straßenseite, gelangt man in einen leicht gebogenen Vorhof, der von Mauern eingefasst ist. Der Vorhof öffnet sich mit einem weiteren Portal zum eigentlichen Bereich der Gedenkstätte.

Das stark zerstörte Haus III wird in Teilen abgetragen, so dass der Raum der ehemaligen Hinrichtungsstätte vom Gelände der Strafanstalt abgegrenzt werden kann. Grimmek schafft so einen von Mauern umschlossenen halbkreisförmigen Raum, der an antike Vorbilder erinnert. In dessen Längsachse befinden sich die Gedenkmauer und der ehemalige Hinrichtungs­schuppen.

Durch die Abgrenzung der Gedenkstätte vom Strafgefängnis Plötzensee entsteht ein öffentlich zugänglicher Raum, der mit dem großen Platz einen würdigen Rahmen für Gedenkfeiern schafft.

Bruno Grimmek 16. Januar 1902 – 3. Dezember 1969

Bruno Grimmek studiert nach einer einjährigen Maurerlehre Architektur an der Baugewerkschule in Berlin. Anschließend arbeitet er unter anderem im Architekturbüro von Hans Poelzig. 1927 wird Bruno Grimmek Chefarchitekt in Gera und tritt schließlich 1928 in den Dienst der Berliner Bauverwaltung. In der Zeit des Nationalsozialismus entwirft er unter der Leitung des Generalbaudirektors für die Reichshauptstadt Albert Speer vor allem Verwaltungsbauten.

Nach Kriegsende wird Grimmek Leiter der Entwurfsabteilung im Hochbauamt des Magistrats von Berlin und übernimmt in dieser Funktion die Planungsarbeiten für den Bau der Gedenkstätte Plötzensee. Bruno Grimmek beteiligt sich in den kommenden Jahren an einer Vielzahl nationaler und internationaler Wettbewerbe. Zu seinen bekanntesten Bauten in West-Berlin gehören das Amerika-Haus, das Palais am Funkturm sowie die Hansa-Schule.