Die Einweihung der Gedenkstätte

Die Eröffnung der Gedenkstätte Plötzensee findet zu einem Zeitpunkt anhaltender Auseinander­setzungen um die Bewertung des Widerstandes gegen den National­sozialismus statt. Der Vorwurf des „Landesverrates“ ist in Teilen von Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland weit verbreitet. Viele ehemals Verfolgte und Angehörige von NS-Opfern warten noch immer auf soziale Unterstützung und Anerkennung. An der Einweihungs­feier am 14. September 1952 nehmen fast 1.500 Berlinerinnen und Berliner teil, darunter zahlreiche Überlebende der national­sozialistischen Verfolgung.

Die Einweihung erfolgt am zweiten Sonntag im September, dem „Tag der Opfer des National­sozialismus". Der Kalte Krieg ist weiterhin präsent: In Ost-Berlin findet zeitgleich eine Großkundgebung mit dem Titel „Gegen Faschismus und Krieg – für Frieden, Einheit, Demokratie und Sozialismus“ auf dem Thälmannplatz statt.

Die Planung und Einladung zur Veranstaltung in Plötzensee erfolgt durch den Senator für Sozial­wesen. Zu Beginn der Einweihungs­­feier überbringt Senator Otto Bach die Grußworte des abwesenden Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter. Hinter ihm ist die Gedenkmauer mit ihrer bronzenen Widmung „Den Opfern der Hitlerdiktatur der Jahre 1933 - 1945" zu sehen, die alle Opfer der national­sozialistischen Verfolgung einbezieht.

Wir ehren hier die an dieser Stelle hingerichteten mehr als 2000 Opfer einer geist- und herzlosen Tyrannei. Wir ehren mit ihnen auch die Millionen Opfer, die an anderen Hinrichtungsstätten oder in den Vernichtungs- und Konzentrationslagern in Deutschland und in allen Teilen Europas für ihren Kampf um Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie Leid, Qual und Tod erleiden mußten.

Otto Bach, Rede zur Einweihung der Gedenkstätte Plötzensee,
14. September 1952

Das erste Foto zeigt den Publizisten und Vorsitzenden der Europa-Union Eugen Kogon, der in der NS-Zeit sechs Jahre im Konzentrations­lager Buchenwald inhaftiert war. Er spricht auf der Einweihungsfeier als ehemaliger Angehöriger des deutschen Widerstandes. Rechts am Bildrand sind Fahnenträger mit Armbinden des Berliner Freiheitsbundes erkennbar.

Auf dem zweiten Foto ist der Innenhof der Gedenkstätte mit den geladenen Gästen zu sehen. Als Vertreter der Bundes­regierung spricht Bundes­minister Hans Lukaschek. Aus Bonn kommt zudem Heinrich Vockel, der erste Bevollmächtigte der Bundesregierung in Berlin zu der Veranstaltung. Ebenso sind Angehörige des Senates und der Parteien bei der Einweihung anwesend, darunter Bürgermeister Walther Schreiber und der Senator für Kreditwesen Paul Hertz.

Die Würdigung des Widerstandes

Die Ansprachen an der einstigen Hinrichtungs­stätte unterstreichen den Charakter Plötzensees als internationalen Gedenkort. Die Hauptredner Eugen Kogon und Koos Vorrink fordern eine größere gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland gegenüber dem Wirken der Widerstands­kämpferinnen und Widerstands­kämpfer und beschwören ihren internationalen Zusammenhalt in den westlichen Demokratien.

Eugen Kogon  und Koos Vorrink, der Vorsitzende der Sozial­demo­kratischen Partei der Niederlande, kennen sich über das Wirken in NS-Verfolgten­organisationen. Vorrink war von 1944 bis 1945 Häftling im Konzentrations­lager Sachsenhausen. Er spricht auf der Einweihungs­feier als Repräsentant der internationalen Widerstands­bewegung.

Publikation zur Einweihung der Gedenkstätte

Nach Eröffnung der Gedenkstätte Plötzensee veröffentlicht der Senator für Sozialwesen eine Broschüre mit dem Titel „Die Märtyrer mahnen“. Die Publikation enthält unter anderem die Ansprachen und ausgewählte Fotos von der Einweihungsfeier.