Der zweite Entwurf

Seit 1947 sind In Plötzensee lediglich Instandsetzungsarbeiten am ehemaligen Hinrichtungs­schuppen vorgenommen worden. Im Jahr 1948 beauftragt der Berliner Magistrat die Bildhauerin Louise Stomps und den Landschaftsarchitekten Reinhold Lingner schließlich mit einem neuen Entwurf für eine Gedenkstätte. Lingner leitet seinerzeit das Hauptamt für Grünplanung und Gartenbau, Stomps ist freischaffende Künstlerin in Berlin. Noch im Juni 1948 sind die Verantwortlichen in der Abteilung Sozialwesen des Magistrats zuversichtlich, die Grundsteinlegung am „Gedenktag für die Opfer des Faschismus“ durchführen zu können. Doch dazu kommt es nicht. Lediglich der Entwurf der beiden wird ab September 1948 in der Ausstellung „Das andere Deutschland“ im ehemaligen Reichstags­präsidentenpalais der Öffentlichkeit vorgestellt.

Reinhold Lingner arbeitet nach der Spaltung der Stadtverwaltung für den Ost-Berliner Magistrat und ist unter anderem an der Gestaltung der Gedenkstätte der Sozialisten beteiligt. Louise Stomps bleibt in West-Berlin tätig und nimmt in den 1950er Jahren am Wettbewerb für ein Internationales Denkmal in Auschwitz teil.

Im Entwurf von Reinhold Lingner bleibt der ehemalige Hinrichtungsschuppen erhalten, eingerahmt von hohen Gefängnis­mauern. Auf dem vertieften gepflasterten Platz davor sollen beschriftete Steintafeln für die hingerichteten Opfer der verschiedenen Nationen verlegt werden. Inmitten dieser „Gedächtnisplatten“ ist eine Plastik von Louise Stomps vorgesehen.

Die aus Gips angefertigte Plastik von Louise Stomps für das Modell der Gedenkstätte Plötzensee existiert nicht mehr. Das Foto zeigt den überlebensgroß geplanten, gespaltenen Schädel, der vor dem ehemaligen Hinrichtungs­schuppen aufgestellt werden soll.

Innerhalb der Mauern soll nicht einmal ein Grashalm zwischen den Steinen leben. Erst außerhalb der Eingangspforte dürfen Rosen die Mauern beranken, darf Gras unter grünen Bäumen wachsen.

Alice Lingner, Der Entwurf zur Gedächtnisstätte Plötzensee, Neues Deutschland (überregionale Ausgabe), 12. September 1948

Louise Stomps zum Auftrag des Magistrats

Louise Stomps verzichtet in ihrem Entwurf auf die Darstellung heroischer Widerstands­ikonen. Im Zentrum ihrer Überlegungen stehen vielmehr der Schmerz und die Leiden, die den Menschen zugefügt worden sind. Die Verschärfung des Kalten Krieges und die Teilung Berlins tragen dazu bei, dass auch diese Ideen für Plötzensee nicht verwirklicht werden.

Plötzensee in der Ausstellung „Das Andere Deutschland"

Die Wanderausstellung über die deutsche Widerstands­bewegung wird auf ihrer ersten Station in Berlin für drei Monate im ehemaligen Reichstagspräsidenten­palais präsentiert. Auch der Modell-Entwurf von Louise Stomps und Reinhold Lingner ist dort zu sehen. Das Gebäude gegenüber dem Reichstag hat der Ausstellungs-Organisator, die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“, kurz zuvor vom Stadt­komman­danten des Sowjetischen Sektors übereignet bekommen.

Harald Poelchau 5. Oktober 1903 – 29. April 1972

Harald Poelchau studiert in den 1920er Jahren Theologie und Wohlfahrtspflege. Ende 1932 bewirbt er sich in Berlin auf eine Stelle als Gefängnisseelsorger, die er 1933 antritt. Er wird zum geistlichen Beistand für zahlreiche Opfer der NS-Justiz und begleitet in Plötzensee Hunderte zum Tode Verurteilte. Seine Verbindungen zum Widerstand und seine Hilfe für Verfolgte bleiben der Gestapo verborgen.

Nach 1945 ist er weiter im Gefängniswesen tätig. Im Jahr 1948 ist Harald Poelchau an der Veröffentlichung von Briefen beteiligt, die Angehörige des Widerstandes kurz vor ihrem Tod verfassten. Zahlreiche der in Plötzensee hingerichteten Männer und Frauen werden dadurch für eine breite Öffentlichkeit ins Gedächtnis gerufen. In den kommenden Jahren kehrt er immer wieder an den historischen Ort zurück, hält Ansprachen in der Gedenkstätte oder lädt dort zu Veranstaltungen ein.