Franz Josef Dobianer

1. Oktober 1886, Mißlitz (Miroslav) – 8. September 1943
Franz Josef Dobianer

Erkennungsdienstliche Aufnahme von Franz Josef Dobianer, 1940

Bundesarchiv R 3017/18902

Franz Josef Dobianer wird am 1. Oktober 1886 in Mißlitz geboren und ist während des Ersten Welt­krieges in ver­schiedenen Motorflugabteilungen eingesetzt. Nach seiner Entlassung aus einem tsche­choslowakischen Internierungslager geht er verschiedenen Beschäfti­gungen in Österreich, der Schweiz, Deutschland und der Sowjetunion nach. 1929 macht er sich im tschechoslo­wakischen Reichenberg mit einer eigenen Zeitung selbstständig und betreibt ein Geschäft für die Ver­mittlung von Darlehen. Von dort zieht er nach Boden­bach und baut sein Geschäft zu einem Bankhaus aus.
Zwischen den Jahren 1931 und 1937 arbeitet er für den tschechoslowakischen Spionagedienst, ver­mittelt ins­besondere deutschen Offizieren, Zoll- und Polizeibeam­ten ein Darlehen und wirbt gleich­zeitig einige Männer er­folgreich als neue Spione an.
Als 1937 eine sudetendeutsche Zeitung vor ihm warnt, wird der Kaufmann mit dem neuen Namen „Josef Dvo­řák” ausgestattet und nach Prag geschickt. Als dort im März 1939 die deutsche Wehrmacht einmarschiert, flieht er nach Polen und geht nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 zu seiner Frau nach Prag zu­rück. Dort wird er im Februar 1940 festgenommen.
Franz Josef Dobianer wird vom 1. Senat des „Volksge­richtshofs” am 8. Juni 1943 wegen „Landesverrats” zum Tode verur­teilt und am 8. September 1943 während der sogenannten Blutnächte im Strafge­fängnis Berlin-Plötzensee ermordet.

Dokumente

Haftbefehl gegen Franz Josef Dobianer vom 27. April 1943

Archiv des Sicherheitsdienstes Prag (ABS) 141-70-6

Anklage des „Volksgerichtshofs” gegen Franz Josef Dobianer vom 6. Mai 1943

Archiv des Sicherheitsdienstes Prag (ABS) 141-70-9

Urteil des „Volksgerichtshofs” gegen Franz Josef Dobianer vom 8. Juni 1943

Archiv des Sicherheitsdienstes Prag (ABS) 141-70-8

Josef Dvorák
Gef.-B.-Nr.: 633/43


Berlin NW 40, den 3 Mai 1943
Alt-Moabit 12a


Liebe Anna und Kinder! Seit 8 Dez. 1942 befinde ich mich in Berlin am Polizei-Präsidium, und seit dem 1 Mai befinde ich mich hier in Moabiter Untersuchungsgefängniss; Warum das weis ich noch nicht. Ich bin mir nichts bewusst dass ich die Reichsdeutschen Gesetze übertreten habe, ich war als Angestellter des M.N.O. Hauptamtlich tätig bis zur Besetzung des Sudetenlandes, habe die Deutsche Grenze niemals überschritten, und nur pflichtgemäss die von meinen Vorgesetzten erhaltene Befehle ausgeführt. Ich kam aus der Emigration aus Polen freiwillig nach dem Protektorat zurück, nachdem ich erfuhr dass vom Führer eine Amnestie für uns erlassen wurde, und dass auf Grund dessen alle meine Vorgesetzten sich auf freiem Fuss befinden. Während meiner Tätigkeit im M.N.O. unterstand ich unseren

eigenen Landesgesetzen, und hatte zu gehorchen, genau so wie jeder Deutsche zu gehorchen hat. – Die Verantwortung können nur meine Vorgesetzten tragen wenn es darauf ankam; Genau so wie in einer Rundfunkansprache am Tage der Deutschen Polizei, der Herr Reichsmarschall sagte, dass Er für die Durchführung von Befehlen sämmtlicher Ihm unterstellten Beamten- und Angestellten, sich verantwortlich bekennt hatte; Wir waren ein souverener Staat, und ich kann mir nicht denken, dass mann bei uns die Grosen laufen [lässt,] um die kleinen zu hängen, oder einen Sündenbock benötigt, auf dem man evtl. unbequemes abschieben möchte. Ich war Angestellter Direktor beim M.N.O. und es war mein Hauptberuf, darüber gibt es keinen Zweifel. Ich erhielt jahrelang ein festes Gehalt, durfte nichts anderes tun als nur die befohlene Tätigkeit zu leisten und es wurden mir auch diesbezügliche für mich ausreichende Belege, von meinem Chef ausgestellt, die ich gesichert aufbewahrt habe. Zwei Tage vor der Besetzung des Su-

detenlandes Sept. 1938 erhilt ich Befehl jedwege Tätigkeit als N.O. einzustellen; und seit diesem Tage habe ich auch nichts mehr anderes betrieben, als Vorbereitungen für meine Auswanderung nach Übersee. Während meiner ganzen Tätigkeit habe ich mich Korekt verhalten, gegen jedermann, und es kann niemand etwas Gegenteiliges über mich behaupten. – Solange ich dem österreichen Staat angehörte habe ich die damaligen Gesetze geachtet, ich war auch verpflichtet dem cechsichen Staate seine Gesetze zur befolgen ich habe diese Anstellung nicht gesucht um etwa Geld zu verdienen, dass hatte ich nicht notwendig, sondern ich wurde als Ceche für diesen Dienst verpflichtet.
Seit der Besetzung von Böhmen und Mähren habe ich soweit die deutschen Gesetze für uns gelten, diese bestimmt nicht verlezt, und ich würde dies auch nicht tun, da ich kein Chauvinist bin, und als Untertan die bestehende Obrigkeit anerkenne; genau so wie ich dagegen nichts einzuwenden habe das du als deutsche

Mutter die Kinder deutsch erziehst und ich freue mich sogar dass unser Junge bei der Hitlerjugend ist. – Jahwohl ich le[?] es nicht ich habe mein Vaterland lieb, und habe bisher all das durchgemachte Leiden mit Ruhe und Würde getragen, sowie ich in meinem ganzen Leben niemals eine Strafe hatte, so habe ich mir während meiner ganzen Schutzhaft nicht das geringste zu schulden kommen lassen, und zur Zufriedenheit m[einer] Vorgesetzten mich verhalten. Ich kann nicht dafür dass unsere Ehe seit den 16 März 19[?] so gestört wurde, ich kann dich aber versichern dass all meine Sehnsucht und Gedanken steets nur bei Euch sind, und ich sehne den Tag genau so herbei an dem wir wieder vereint sein dürfen so wie du und die Kinder ihn herbeisehnt. Gott gebe es, dass dies bald der Fall ist. Und ich hoffe es auch dass es nunbald so wird. Ich werde mich bewähren davon bin ich überzeugt. Mit Dobianer brauchst du nicht mehr zu adressieren, sondern mit meinem richtigen Namen Josef Dvorák. Viele herzliche Grüße und Küsse dier und unseren lb. Kinder Euer Papa

Brief von Franz Josef Dobianer an seine Frau Anna und seine Kinder vom 3. Mai 1943

Archiv des Sicherheitsdienstes Prag (ABS) 141-70-6

An den Herrn Oberreichsanwalt in Berlin

Geschäftszeichen
4 J. 251/40 g Gnadengesuch


Mehr als 3 Jahre ist mein Mann Josef Dworak im Konzentrationslager gewesen. Meine beiden Kinder fragen täglich wo ist der Vater, und wann kommt er wieder, ich kann keine Antwort darauf geben. Ich hoffe aber täglich auf die Heimkehr meines Mannes. Jetzt erhielt ich die Nachricht, dass mein Mann zum Tode verurteilt worden ist. Wie ich darüber erschüttert bin kann kein Mensch ermessen, wie soll ich das meinen Kindern sagen.
Ich bin eine deutsche Frau und ich sage mir immer wieder, warum wird mir, u. vor allem den Kindern, so ein Leid zugefügt? wird denn alles getan um Menschen unglücklich zu machen? Jahrelang lebe ich hier in der Fremde, keinem Menschen kann ich mein schweres Leid klagen und nirgens finde ich Trost. Wie lange soll und werde ich dies noch ertragen. Es kümmert sich hier keiner um uns. Meine armen Kinder sehen nur eine vergrämte weinende Mutter. Gerade ich wollte meinen Kindern eine frohe glückliche

Kindheit geben weil ich weiß wie wichtig das fürs ganze Leben ist. Jetzt muß ich sehen wie meine Kinder seelisch geradezu verkümmern, sie gehen nicht gerne zur Schule und haben an nichts Freude. Es kann nicht im Sinne des Führers sein, dass hier gerade eine Familie ausgerottet wird.
Es ist ein schweres Schicksal und ein großes Unglück, dass wir diesen Weg gehen mußten. Ich weiß es noch wie heute, wie mein Mann damals in Berlin ein Geschäft kaufen wollte, u. es ist ihm nicht gelungen Überall stieß er auf Schwierigkeiten. Und endlich haben wir dann diesen Weg ins Unglück angetreten. Es heißt wohl „Niemand entgeht seinem Schicksal“
Mein Mann ist kein schlechter Mensch u. ich weiß auch, dass er sich vor der Todesstrafe nicht fürchtet, dazu hat er zuviel schweres erlebt, und der Tod ist doch geradezu eine Erlösung von aller Qual. Aber was wird aus uns? Vor allem - aus 2 Kindern auf denen Zeitlebens ein Makel ruht? Um es hier einmal zu sagen. So wahr ich dieses Gnadengesuch schreibe, eine Vollstreckung des Urteils würde ich nicht überleben und ich wäre von aller seelischen Marter erlöst. Ist es nicht besser man macht ein gewaltsames Ende? Was ich für Qualen erleide ist unermesslich und um so schwerer weil ich keinen Menschen hab mit dem ich mein Leid teilen kann.

Wenn mein Mann ein Unrecht getan hat, so weiß ich es wohl allein, dass er dazu gezwungen wurde. Immer war er sehr verärgert u. fand Tag und Nacht keine Ruhe. Mit mir hat er nie darüber gesprochen, aber heute kann ich mir das alles erklären. Es ist ihm sicher mit großer Strafe gedroht worden u. schliesslich ist er gehorsam gewesen. Es heißt auch in der Bibel „Jedermann sei untertan der Obrigkeit die Gewalt über ihn hat …
Mein Mann ist ein strebsamer fleißiger Mensch der noch viel leisten kann. Sehr geehrter Herr Oberreichsanwalt liegt es in Ihren Händen uns unglücklichen Menschen zu helfen? So bitte ich Sie aus meinem vollen kranken Herzen, veranlassen Sie, dass mein Mann in einem Rüstungsbetrieb Arbeit findet. Wenn er noch nicht zu seinen Kindern kommen kann, so will ich mich damit zufrieden geben, aber die diese Gewißheit will ich haben, dass mein Mann nicht einsam in einer Zelle zugrunde geht.
Ich frage mir immer wieder warum ist dies alles u. warum muß ich u. vor allem 2 Kinder soviel leiden? Jetzt hat es seinen Höhepunkt erreicht u. so Gott will wird es sich zum Guten wenden. Denn keine Frau kann wohl mehr leiden wie ich, u. warum dies alles ist, da bleibt mir das Schicksal die Antwort schuldig.

Sehr geehrter Herr Ober-Reichsanwalt
Werden Sie mir auf dieses Gnadengesuch möglichst bald eine Antwort geben, und vor allem eine Nachricht, dass ich mich freuen kann. Wenn ich es auch nicht so geschrieben habe wie es sich vielleicht gehört, so ist es doch aus meinem müden vollen Herzen gekommen. Ich bin ja eine einfache deutsche Frau, und kann es nicht anders.
Einer baldigen Antwort entgegensehend zeichne ich mit

Heil Hitler
Anna Dworak
Prag XIX Grazianistr. 4


Prag, am 29. Juli 1943

Gnadengesuch von Anna Dobianer an den Oberreichsanwalt vom 29. Juli 1943

Bundesarchiv R 3017/18902

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