Hans Bernd von Haeften

18. Dezember 1905, Berlin – 15. August 1944
Hans Bernd von Haeften

Hans Bernd von Haeften

Privatbesitz

Hans Bernd von Haeften wächst in einer angesehenen Offiziersfamilie auf. Er studiert Rechtswissenschaft und verbringt 1928 ein Jahr als Austauschstudent in England. Anschließend ist er von 1930 bis 1933 Geschäftsführer der Stresemann-Stiftung. In diesen Jahren knüpft er erste Verbindungen zur ökumenischen Bewegung in Europa. Haeften, der dem Liberalismus nahe steht, wird 1933 in den Auswärtigen Dienst aufgenommen und weigert sich auch als Diplomat konsequent, der NSDAP beizutreten.
Durch seinen engen Freund und Kollegen Adam von Trott zu Solz kommt Haeften 1941 in Verbindung mit dem Kreisauer Kreis. Für die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg ist er einer der wichtigsten Vertrauensleute im Auswärtigen Amt und soll nach einem gelungenen Umsturz Staatssekretär im Auswärtigen Amt werden. Obwohl er aus ethischen Gründen einen Anschlag auf Hitler ablehnt, hält sich Hans Bernd von Haeften, dessen Bruder Werner Ordonnanzoffizier bei Claus Schenk Graf von Stauffenberg ist, am 20. Juli 1944 im Auswärtigen Amt bereit.
Nach dem Scheitern des Umsturzversuches kann Hans Bernd von Haeften Berlin verlassen, um sich von seiner Familie zu verab­schieden, kehrt jedoch am 22. Juli zu­rück. Einen Tag später wird er von der Gestapo festge­nommen und am 15. August 1944 vom „Volksgerichtshof” zum Tode verurteilt. Er wird noch am selben Tag im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee ermordet.

Dokumente

Hans Bernd von Haeften vor dem „Volksgerichtshof”, 15. August 1944

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Todesurteil des „Volksgerichtshofes” gegen Bernhard Klamroth, Hans-Georg Klamroth, Egbert Hayessen, Wolf Heinrich Graf Helldorf, Adam von Trott zu Solz und Hans Bernd von Haeften, 15. August 1944

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Inland IIg 59

15.8.44

Meine liebe liebste Frau, meine gute Barbara,

wohl in wenigen Stunden werde ich in Gottes Hände fallen. So will ich Abschied von Dir nehmen. Schnell ein paar äussere Dinge. Mein Testament liegt im Handkoffer im Dolmenstieg. Die goldene Uhr gib an Jan, die andere (im blauen Täschchen) an Dich, ein Paar von den Manschettenknöpfen (goldene oder Perlmutter) an Johann Robert. Denk an die Lebensmittel, vielleicht ein Teil an Mutti u. Liet. - Ich wäre glücklich wenn zunächst Vater, dann Klaus die Kundschaft übernähmen. In geistlichen Fragen suche Rat bei Herbert. Auch alle Paten werden Dir helfen. Sage Jan als unserm Ältesten, ich bäte ihn Dir in jeder Weise zu helfen, insbes. sich ernsthaft in der Schule anzustrengen u. Dir freudig zu gehorchen. Denke in der Erziehung auch an Musik (Gesang!) an Bildende Kunst, ans Wandern u. schöne Natur: sie lenken die Sinne auf Hohes u. Edles u. auf reine Freuden.
Bärbel, lass die Kinder viel auswendig lernen an Bibeltexten u. Liedern, damit sie es einmal in der Not im Herzen tragen. Es kommen Zeiten des Zweifels u. der Entfernung, aber das Leben wird die Kinder zu dem festen Grunde zurückbringen, wenn er in der Jugend gelegt ist. Christus est via veritas et vita.
Wenn die Kinder sich einmal verloben wollen, denke daran, dass ein etwa nötiges elterliches Nein Unheil verhüten kann; hoffentlich wird es nicht nötig sein. - Als Inschrift auf Deinem oder unserem Grabstein fände ich recht unseren Trauspruch* u. dazu das Wort "Leben wir, so sind wir des Herrn u.s.w.".
Bei Photo Rabe Klopstock Str. 3 unter dem Zahnarzt liegt noch eine Passaufnahme von mir. Wenn sie gelungen ist, kannst Du ja Abzüge machen lassen.

* 1. Joh. 4, 16.



Barbara, in diesen Haftwochen habe ich Gottes Gericht still gehalten u. meine "unerkannte Missetat" erkannt u. vor ihm bekannt. "Gottes Gebote halten u. Liebe üben u. demütig sein vor Deinem Gott": das ist die Regel, gegen die ich verstossen habe. Ich habe das fünfte Gebot nicht heilig gehalten (obwohl ich einmal Werner damit zurückgerissen habe) u. das Gebot der Demut, des "Stille seins u. Harrens" habe ich nicht ernst genug genommen. Vor allem habe ich nicht Liebe geübt gegen Euch, die mir anvertraut waren. Um Euretwillen,
Eurer Mutter u. der Eltern willen hätte ich von Allem Abstand nehmen müssen. Bitte sagen ihnen, zugleich mit meinem tiefsten Dank für all ihre Hilfe u. Liebe, dass ich sie herzlich bitte, sie möchten mir verzeihen. Bärbel, ich habe all Dieses getan in der Meinung u. in dem Willen, recht zu tun vor Gott. In Wahrheit war ich ungehorsam, obwohl ich ehrlich gefleht habe, Er möge mich auf Seinen Wegen leiten, dass meine Füsse nicht gleiten; sie sind geglitten. Warum? Ich habe in all den Zweifeln wohl nicht still u geduldig genug gewartet, bis Er Seinen Willen mir unzweideutig kundtat. Vielleicht war es auch so Sein unergründlicher, heiliger u. heilsamer Ratschluss.
Liebste Frau, ich sterbe in der Gewissheit göttlicher Vergebung, Gnade u. ewigen Heils; und in der gläubigen Zuversicht, dass Gott all das Unheil, Schmerz, Kummer, Not u. Verlassenheit, das ich über Euch gebracht habe u. das mir das Herz abpresst, aus Seinem unermesslichen Erbarmen in Segen wandeln
kann, dass Er euch alle an Seinen Vaterhänden auf


euren Erdenwegen geleiten u. endlich zu Sich ziehen wird. Der Herr, unser Erbarmer, wird auch Deinen Schmerz allmählich lindern, Deinen Kummer sänftigen, Dein Leid stillen. Deine Liebe wird die gleiche bleiben, denn "sie höret nimmer auf".
Meine gute Barbara, ich danke Dir aus tiefstem Herzen für alle Liebe u. allen Segen, die Du mir in den 14 Jahren unserer Ehe geschenkt hast. Bitte vergib mir allen Mangel an Liebe. Ich habe Dich sehr viel mehr lieb als ich Dir gezeigt habe. Aber wir haben eine Ewigkeit vor uns, um uns Liebe zu erweisen. Dieser Gedanke sei Dir ein Trost in der Trübsal Deiner Witwenjahre. Ich bin gewiss - sei Du es auch - dass wir beide mit Allen unseren Lieben wieder vereinigt werden in Gottes unaussprechlichem Frieden (der vollkommenste Ruhe u. zugleich seligste Bewegung in göttlichem Dienst ist), in der Anbetung u. unmittelbaren Erfahrung göttlicher Liebe, in der wunderbaren Geborgenheit in des Heilands Gnade u. Güte, in der erlösten Seligkeit der Gotteskindschaft. Auch schon auf Erden gehörst Du zum Leibe Christi, dessen Gliedschaft aufs innigste erfahren wird im Sakrament des Altars, in der Gegenwart des Herrn, der alle die Seinigen - sie mögen vor oder hinter der grossen Verwandlung stehen - auf wunderbare Weise zusammenschliesst.
Betet für mich den 126. Psalm; über ihn ging die letzte Predigt, die ich am Tage der Verhaftung in unserer Dorfkirche hörte.
Und dazu betet den 103. Psalm, lobet u. danket.

Mein letzter Gedanke, liebste Frau, wird sein, dass ich euch meine Lieben des Heilands Gnade u. meinen Geist in Seine Hände befehle. So will ich glaubensfroh sterben. Und ich möchte, meine liebe Bärbel, dass auch Du "die immer heitere Frau von Haeften" bleibst! Scherze u. lache mit unseren Kindern, herze sie u. sei fröhlich mit ihnen; sie brauchen Deine Frohnatur; u. wisse, dass nichts mehr nach meinem Sinne sein könnte.
So grüsse ich euch, meine lieben Liebsten, mit dem alten Grusswort "Freuet euch" - "freuet euch in dem Herrn allewegen u. abermals sage ich: freuet euch"! "Und der Friede Gottes bewahre eure Herzen u. Sinne in Christo".
Grüsse u. küsse von mir unsere lieben Kinder, den lieben Jannemann [Jan], den guten Dirkus [Dirk], das treue Addalein [Adda], das köstliche Dörchen [Dora], das süsse Ulrikchen [Ulrike]. Und Dich selbst, meine liebe allerliebste Frau, meine gute herzlichste Barbara, Dich küsse ich u. umarme Dich u. halte Dich an meinem Herzen mit den tiefsten flehendsten Wünschen für Zeit und Ewigkeit!
Dein Hannis.

Adam grüsst Dich. Halte Liet u. Clarita u. Marion die Freundschaft.

[Linker Rand:
Gib Mutti Abschrift. Ich hoffe ihr noch schreiben zu können.]

Abschiedsbrief von Hans Bernd von Haeften an seine Frau Barbara, 15. August 1944

Privatbesitz

Sterbeurkunde von Hans-Bernd von Haeften 17. August 1944

Ancestry, Archiv zur Ahnenforschung

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