Marianne Joachim

5. November 1921, Berlin – 4. März 1943
Marianne Joachim

Marianne Joachim

Bundesarchiv

Marianne Prager wächst in Berlin auf und wird nach dem Abschluss an der Realschule Kinder­pflegerin im Jüdischen Kinderheim in der Berliner Gipsstraße. Sie muss diese Stelle aufgeben, da sie im Sommer 1940 nach Rathenow zur Zwangsarbeit im Landeinsatz verpflichtet wird.
Am 22. August 1941 heiratet sie Heinz Joachim. Zu dieser Zeit ist sie Zwangsarbeiterin in Berlin-Wittenau.
Nachdem ihr Mann in der „Judenabteilung” der Elektro­motorenfabrik der Siemens-Werke Herbert Baum kennenlernt, schließt sie sich gemeinsam mit ihrem Freundeskreis der Baum-Gruppe an. Ihre Wohnung in der Rykestraße dient häufig als Treffpunkt für Zusammen­künfte des Widerstandskreises.
Zwei Wochen nach ihrem Mann wird am 9. Juni 1942 auch sie wegen ihrer Beteiligung am Brandanschlag gegen die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjet­paradies” festgenommen und am 10. Dezember 1942 vom „Volksgerichtshof” zum Tode verurteilt. Marianne Joachim wird am 4. März 1943 in Plötzensee ermordet.

Dokumente

Gefangenenkarte von Marianne Joachim

Landesarchiv Berlin A Rep 369 Kartei

Marianne und Heinz Joachim

Privatbesitz

Urteil des „Volksgerichtshofs” gegen Marianne Joachim und andere, 10. Dezember 1942

Bundesarchiv R 3017/33975

Berlin-Plötzensee, den 4. März 1943


Meine lieben Schwiegereltern,
nun müsst
Ihr zum zweiten Male die traurige Gewiss-
heit erfahren, dass Ihr ein Kind verloren
habt; wenn es auch diesmal nur Eure
Schwiegertochter ist. Mir tut bloss leid, dass
ich nicht an ein Jenseits glauben kann; sonst
wäre ich schon jetzt glücklich in der Vorfreude
auf ein Wiedersehen mit meinem, Eurem
Heini. – Aber auch so fällt es mir nicht
Schwer, aus dem Leben zu gehen; mir tun
nur Vati und Mutti so unsagbar leid! Steht
ihnen bei in dieser schweren, für sie
schwersten Zeit! Ich habe ihnen immer noch
Hoffnung gemacht – obwohl ich selbst gar
Keine mehr hatte – ich dachte nämlich,
dass sie inzwischen nicht mehr hier sind
und dadurch meine Hinrichtung nicht mehr
erfahren. Aber nun müssen sie sich in
das Unvermeidliche schicken und versuchen,
das Schwerste zu tragen – genau wie ich versucht
habe, gefasst meinen schwersten Schicksals-
schlag vor nunmehr fünf Monaten – als ich
davon erfuhr – zu überwinden. Ganz bin ich
nie damit fertig geworden, aber kein einziger
Mensch hat erfahren, was ich damals
Durchgemacht habe. Na, Dir, liebe Mama, brauche
Ich wohl nicht erst zu sagen, wie sehr ich gelitten
Habe! –
Meinen Nachlass habe ich an Deine Adresse gehen
Lassen, liebe Mama, weil ich doch nicht weiss, wie
Lange meine lieben Eltern noch hier sind. –
Nun will ich Euch, meine liebe Mama, lieber
Alfons-Papa, Rudi, Nauni, Stupsi, meine süssen
Lieblinge Gertchen und Werner, noch meine
letzten Grüsse sagen und alles erdenkliche Gute
wünschen! Ganz besonders herzliche Grüsse an
Erich, dem ich in Gedanken kräftig die Hand drücke.
Auch den andern Verwandten, Familie Reetz,
Neumann, Arndt u.s.w. letzte Grüsse.
Lasst mein kleines Muttchen und Vati nicht allein!
Helft ihnen ein bisschen! Auch Euch danke ich für
alles Liebe und Gute! Herzliche Abschiedsküsse Euch allen
von Eurer Marianne.

Abschiedsbrief von Marianne Joachim an ihre Schwiegereltern, 4. März 1943

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Bekanntmachung der Hinrichtung von Marianne Joachim und anderen, 4. März 1943

Bundesarchiv R 3018/1642

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