Siegfried Kyšer

11. Februar 1898, Pschistoupim (Přistoupim) – 16. Juni 1943
Siegfried Kyšer

Porträt von Siegfried Kyšer

Archiv des Sicherheitsdienstes Prag (ABS) 141-253-21

Siegfried Kyšer stammt aus einer Familie jüdischer Herkunft. Nach dem Abitur 1916 leistet er seinen Mili­tär­dienst in der österreichisch-ungarischen Armee und nimmt am Ersten Weltkrieg teil, in dem er an der italie­nischen Front in Gefangenschaft gerät und dann in die Tschechoslowakische Legion eintritt. Als Leutnant rückt er nach Kriegsende mit seinem Truppenteil in die Slowa­kei ein, wo er 1921 demobilisiert wird. Er studiert Nati­onal­ökonomie und gründet 1927/28 in Prag eine Eisen­firma und 1936 die Kyšer & Co. KG, die pyrotech­nische Artikel für die Tschechoslowakische Armee herstellt.
Nach der Besetzung der böhmischen Länder durch die Wehrmacht und der Auflösung der tschecho­slowaki­schen Streitkräfte gerät sein Unternehmen in wirtschaft­liche Schwierigkeiten und steht vor dem Konkurs. Der frühere Generalintendant des Heeres im Verteidigungs­ministerium drängt ihn im Mai 1939, für die entstehende Militärorganisation Obrana Naroda (ON – Verteidigung der Nation) zu spenden, so dass Siegfried Kyšer 150 000 Kronen spen­det in der Hoffnung, neue Aufträge zu er­halten.
Die Kyšer & Co. KG wird „arisiert” und Siegfried Kyšer am 14. März 1940 festge­nommen. Der „Volks­gerichtshof” ver­urteilt ihn am 18. November 1942 zusam­men mit František Raška und Karel Helmich wegen „Vorberei­tung zum Hoch­verrat” zum Tode. Alle drei Männer werden am 16. Juni 1943 im Strafgefängnis Plötz­ensee ermordet.

Dokumente

Anklageschrift des „Volksgerichtshofs“ gegen František Raška und weitere Verurteilte vom 29. August 1942

Archiv des Sicherheitsdienstes Prag (ABS) 141-213-1

Urteil des „Volksgerichtshofs“ gegen František Raška und weitere Verurteilte vom 18. November 1942

Archiv des Sicherheitsdienstes Prag (ABS) 141-212-13

Berlin-Plötzensee, den 3. Dezember 1942.

An das Reichsjustizministerium, durch den Herrn Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof in Berlin.

Durch das Urteil des 1. Senates des Volksgerichtshofes in Berlin wurde ich zur Todesstrafe verurteilt. Ich bitte um Gnadenerweisung und Abänderung der Todesstrafe im Gnadenwege in eine zeitliche Strafe.
Zum Zeichen der tätigen Reue bitte ich mein Leben dort einzusetzen, wo es für die Allgemeinheit vom Nutzen wäre: Ich bin Pyrotechniker, also z. B. beim Unschädlichmachen von nichtexplod. Fliegerbomben, oder anders. Von der Endgültigkeit der Neuordnung im Protektorat war ich immer überzeugt, und entsprechend meiner Stellung war ich bestrebt für die deutsche Wehrmacht nach meinen Kräften tätig zu sein, vorerst, das mir anvertraute Waffenwerk arbeitsfähig zu erhalten. In diesem meinem Streben wurde mir Spevacek’s Treulosigkeit zur Verhängnis!
Meine Bestrebungen waren der Rüstungsinspektion Prag bekannt, und auf ihre Veranlassung wurde ich 1940 vom April bis Juli zur Erledigung einiger Aufgaben aus der Haft zur Verfügung gestellt; es ist mir zugesagt worden, dass bei meiner Beurteilung auf meine Leistungen Rücksicht genommen wird: In harten Arbeit habe ich die mir auferlegten Aufgaben restlos erledigt:
1.) Bald nach der Errichtung des Protektorates - also zur selben Zeit zu welcher ich Spevacek das Geld gab! - habe ich vorgeschlagen in Bohuslavice in einem reichseigenem Bau eine Munitionsfabrik zu errichten, diese Idee dann durchgekämpft (das Projekt schien damals zu gross). Ich habe in aufreibenden Arbeit Projekt und Arbeitsvorgänge ausgearbeitet, den Betrieb eingerichtet, baulich beendet, und in Gang gesetzt. Bohuslavice sind meine Schöpfung, eine der wichtigsten Fliegerbombenfabriken im Reich
2) Ich habe vorgeschlagen die unbenutzten reichseig. (gew. alte cs) Handgranaten im Werte ca. 100,000.000Kr zu verwerten. Nach schwierigen techn. Prüfungen, Umarbeitung und Verhandlungen habe ich während des Hafturlaubes den Verkauf nach Rumänien abschlussfertig gemacht. Das Reich bekam Oel in Gegenlieferung; zu sehr vorteilhaften Bedingungen. Stärkung der Wehrkraft Rumäniens.
3.) In schwiriger Kleinarbeit habe ich die Betriebsverhältnisse des Waffenwerkes Bojkovice neu geordnet, neue Erzeugung eingeführt, das Waffenwerk wieder leistungsfähig gemacht.
Meine Leistung wurde durch Herrn Industrie-Beauftragten des O.-Kdo der Wehrmacht Major Kühnel, Prag, schriftlich bestätigt, und auch in der Hauptverhandlung vom Herrn Dehnert von der Staatspolizei Prag anerkannt. - Weiter unter Beweis gestellt durch die Herren: Ing. Bertling, Gen.Bevollmächtigter, Berlin, Ing. John aus Prag, Generalmajor v. Ruzicic, Treuhänder der Rü-In, aus Wien, Ing. Zrabeck von der Rüstungsinspektion Prag. (damalige Mitarbeiter).
Zur selben Zeit habe ich mit Ing. John Projekt der zusätzl. Beschaffung von 10.000 Tonen Alteisen im Protektorate, und mit John und Zrabeck Projekt eines Desadjustierungswerkes für unbenutzte Munition ausgearbeitet, wobei der Gefährlichkeit wegen mit meinem Einsatz auf der exponiertesten Stelle gerechnet wurde. Ich habe während der Haft kriegswichtige Erfindung gemacht, welche zur Verfügung steht:
1. Pyrotechn. Flammenwerfer, zum Bekämpfen von Panzerwagen, Bunkers usw. geignet; grosse Reichweite und Wirkungsgrad der pyrotechn. Massen. Schon während des Hafturlaubes mit zufriedenstellend verlaufenden Versuchen angefangen. - Waffe, welche fehlt; durch ihre Bewähren könne sicher manches erreicht werden!
2. Vollautomatischen Getriebekasten für Motorfahrzeuge; brennstoffsparend. Einfachste Lösung, die ein jeder Automobilist schätzen wüsste.
Keine Utopien - dafür zeugen meine frühere Leistungen; ich bitte um die Gelegenheit das unter Beweis setzen zu können. Schade - sollten diese Sachen mit mir eingehen.
Ich bitte um die Gnadenerweisung, um durch Reue und Tat in dieser entscheidenden Zeit beweisen zu können, dass ich der Gnade würdig wäre.
Siegfried Kyšer.

Gnadengesuch von Siegfried Kyšer vom 3. Dezember 1942

Archiv des Sicherheitsdienstes Prag (ABS) 141-253-21

Mitteilung des Strafgefängnisses Plötzensee über die Hinrichtung von Siegfried Kyšer vom 16. Juni 1943

Archiv des Sicherheitsdienstes Prag (ABS) 141-253-22

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