Alexander Bessmertny

20. März 1888, St. Petersburg – 22. August 1942
Der Sohn eines Bankbeamten und einer Schriftstellerin wächst in Hamburg auf und studiert Rechts­wissenschaf­ten und Philosophie in Freiburg, München, Berlin und Kiel. Nach seiner Promotion ist er zunächst als Rechts­berater und Syndikus und dann als Schrift­steller, Litera­turkritiker und Sachver­ständiger für Kunsthandel in Berlin tätig. Unter anderem schreibt er für die „Weltbühne”.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme emigriert Alexander Bessmertny 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft zunächst nach Paris und dann im September über die Schweiz nach Prag. Dort arbeitet er für die Presse.
Im Februar 1934 wird der Chef der Nachrichtenabteilung im Generalstab, Oberst Mojmír Soukup, auf ihn aufmerk­sam und kann ihn für den Nachrichtendienst gewinnen. Bessmertny knüpft seine Zusage an den Erhalt der tsche­choslowakischen Staatsbürgerschaft, mit der er sich vor der deutschen Justiz sicher wähnt. Er vermittelt Soukup zwei weitere Mitarbeiter und ist bis Frühjahr 1935 für ihn tätig.
Am 5. April 1939, kurz nach dem Einmarsch der deut­schen Truppen, wird er festgenom­men. Ein Gesuch seiner Verlobten um dessen Haftentlas­sung mit dem Verweis auf die genehmigte soforti­ge Emigration in die USA wird Mitte März 1940 abgelehnt.
Alexander Bessmertny wird am 23. März 1942 vom „Volks­gerichtshof” wegen „lan­desverräteri­scher Ausspäh­ung” zum Tode verurteilt und am 22. August 1942 im Strafgefängnis Plötz­ensee ermor­det.

Dokumente

Gefangenenkarte des Strafgefängnisses Plötzensee von Alexander Bessmertny

Landesarchiv Berlin A Rep 369 Kartei

Berlin NW 40, den 18.8.1939.

Liebste Olly. - Seit heute bin ich im Untersuchungsgefängnis Moabit, beachte das, wenn Du mir schreibst. Ich kann alle 14 Tage schreiben, Du kannst selbst aber an mich öfter schreiben. Bitte gib meine Adresse auch meinen Schwestern in Paris an, von denen ich wieder einen Brief habe.
Mit Eurem Familienbrief habe ich mich wirklich sehr gefreut, vor allem mit der Zuschrift vom Gustl. Er ist grossartig, wie er sich mit seinen 79. Jahren noch hält und was er noch zu leisten fähig ist. Jedesfalls bin ich sehr froh, daß der Papa Gustl sich noch mit Erfolg und Mühen auf seinem alten Fachgebiet betätigen kann. - Ganz erstaunt bin ich über die ausgeschriebene erwachsene Handschrift vom Peter. Aber ich finde
der Peter müsste unbedingt noch etwas wirklich praktisches erlernen, Elektrotechnik oder etwas ähnliches, wozu er Begabung hat.
Ich bitte Dich sehr herzlich meinen Schwestern zu schreiben und Ihnen auch meinen Brief zuzuschicken. Ich will nicht, daß sich hier eine ähnliche Familienaffäre abspielt wie z. Z. mit Heinz und Grete, die ich beide sehr gern habe u. herzlich grüssen lasse.
Da wir ja nun doch nicht jetzt heiraten können, so nimm meine Scheidungsurkunde an Dich u. verwahre sie gut, vielleicht werden wir sie zu diesem Zwecke doch noch einmal brauchen. Hoffentlich!, und wenn ja, wer weiss, wann einmal.
Um richtig und systematisch englisch zu treiben, habe ich doch nicht genug ruhige Nerven. Ich nehme das Stück jeden Tag ein paar mal vor, aber ich kann mich nur schlecht konzentrieren. Doch merke ich beim Lesen
von englischen Texten, daß ich jedesfalls eine ganze Menge verstehe. - Wegen Büchern weisst Du ja Bescheid. Es darf absolut nichts hineingeschrieben sein. Du musst sie daraufhin Blatt für Blatt durchsehen. Ausserdem schick mir nie mehr als 2 Bücher auf einmal u. immer als Drucksache.
Sieh mal zu, ob Du noch klassische deutsche Literatur bekommst, am besten ungebundene Reklamausgaben, besonders Goethe, Prosaschriften, Jean Paul, Hölderlin u. ähnliches. Dies ist mir gerade hier am liebsten, ausserdem auch Geschichtswerke, besonders alte Literatur, die es auch bei Reklam gibt. Setz Dich deshalb auch mit Nelly in Verbindung, damit nichts doppelt geschickt wird u. schreibe ihr genau wie sie es schicken soll, am besten durch Dich. Die von ihr angekündigten Geldsendungen sind bisher noch nicht eingetroffen. -
Du solltest übrigens versuchen aus England auch das Reisegeld zu bekommen.
Sieh doch bitte in meinem Scheidungsurteil nach, wie die Rechtsanwältin heisst, die mich vertreten hat u. schreib mir Namen und Adresse. - Da ich hier alles kaufen kann, hat es keinen Sinn mir irgendwelche Lebensmittel zu schicken. Auch dies schreib der Nelly. Wenn Sie mir schreibt, soll sie vor allem erzählen, was sie arbeitet u. sonst treibt u. wie es ihr u. den Verwandten geht. Namen soll sie immer voll ausschreiben. - Hast Du inzwischen Dein Geld von der Universität bekommen? - Ich bin froh, daß der heutige Tag mit der Umlegung hierher vorbei ist. Ich bin in einem sonderbaren Zustand von äusserer Nervosität und innerem Abgestumpftsein. Leb wohl, Ollychen, grüsse alle u. sei geküsst von Deinem Jascha.

-----

Meine Adresse ist jetzt: Untersuchungsgefangener B… u.s.w. Untersuchungsgefängnis u. dann wie am Kopf des Briefes ausserdem ist auf den Umschlag die No: 1857 anzugeben u. innen u. aussen der Absender mit voller Adresse. Die No. auch bei Geldsendungen u. Drucksachen.

Brief von Alexander Bessmertny an seine Verlobte Viola Günther-Schulhoff vom 18. August 1939

Bundesarchiv R 3017/35882

Gesuch von Viola Günther-Schulhoff um Haftentlassung für Alexander Bessmertny aufgrund der Genehmigung der Emigration in die USA, 28. Februar 1940

Bundesarchiv R 3017/35882

Abschlägiger Bescheid des „Volksge­richtshofs” auf das Gesuch von Viola Günther-Schulhoff, 15. März 1940

Bundesarchiv R 3017/35882

Anklageschrift des „Volksgerichtshofs” gegen Alexander Bessmertny vom 19. August 1941

Bundesarchiv R 3017/8431

zurück