Julius Bockemüller
Julius Bockemüller sympathisiert in den Jahren der Weimarer Republik mit der nationalsozialistischen Bewegung, distanziert sich jedoch nach 1933 zunehmend vom NS-Regime. Er hört ausländische Rundfunksender und berichtet bei Krankenbesuchen von den abgehörten Nachrichten. In einem Gespräch erklärt er, der Krieg sei spätestens 1943 vorbei und es müsse sich etwas ändern, da ansonsten „Deutschland bald ein großes Konzentrationslager" sei.
Julius Bockemüller wird denunziert, am 27. Juli 1942 festgenommen und am 19. Januar 1943 vom „Volksgerichtshof” wegen „Feindbegünstigung” zum Tode verurteilt.
Nachdem sein Gnadengesuch abgelehnt worden ist, wird Julius Bockemüller am 21. April 1943 im Strafgefängnis Plötzensee ermordet.
Dokumente
Gefangenenkarte von Julius Bockemüller
Landesarchiv Berlin A Rep 369 Kartei
Todesurteil des „Volksgerichtshofs” gegen Julius Bockemüller, 19. Januar 1943
Bundesarchiv R 3017/6
An
den Herrn Reichsjustizminister
in Berlin
Wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat wurde ich am 19.I.43 durch Urteil des II. Senats des Volksgerichtshofes in Berlin zum Tode verurteilt. Als Tatbestand liegt dem Urteil mein Eingeständnis zugrunde, daß ich verschiedentlich allein Nachrichten des englischen Rundfunks angehört habe, in einem Falle habe ich erzählt, daß 1000 Flugzeuge über Köln gewesen seien. Als Sohn des im Jahre 1941 verstorbenen Justizinspektors i.R. Bockemüller nahm ich als Frontkämpfer am Weltkriege 1914/1918 teil und ließ mich nach meinem Studium und 2 jähriger Assistenzzeit im Jahre 1924 in Sickte als Arzt nieder, 18 Jahre habe ich also bis zu meiner Verhaftung als Landarzt gewirkt, ich habe in diesen 18 Jahren genau 8 Tage Urlaub genommen, im übrigen den Kranken zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung gestanden. Im Jahre 1932 heiratete ich eine Bauerntochter, die Ehe war sehr glücklich, aus ihr entstammen 2 kleine Mädchen, die 9 resp. 8 Jahre alt sind, meine liebe Frau starb am 1. März 1941 an einer akuten Lungenkrankheit (Lungenabszess) Schon im Jahre 1932 nahmen wir ein armes Mädchen im Alter von 12 Jahren als Pflegetochter an, dieses Mädel, das auf meine Kosten ausgebildet wurde und das Zeugnis der mittleren Reife in Braunschweig erhielt, trat
auf meine Veranlassung in den Staatsdienst und ist seit Oktober 1939 als Sekretärin im Arbeitsamt Braunschweig (D. Gerber) angestellt, ihr Name ist Eugenie Jungerkes. Zur Tat selbst möchte ich folgendes sagen: Niemals ist mir beim Abhören des fremden Rundfunks zum Bewußtsein gekommen, daß ich mich des Verbrechens des Hochverrats schuldig gemacht habe, ich habe lediglich aus Neugierde die Nachrichten abgehört, eine politische Absicht habe ich niemals damit verbunden; bis zum Jahre 1931 wählte ich die deutschnationale Partei, vom Jahre 1932 ab nur noch die Liste der N.S.D.A.P., ich selbst stehe völlig auf dem Boden des nationalsozialistischen Staates und habe auch diesen Standpunkt meiner und gegenüber allen Personen vertreten, soweit ich Gelegenheit hatte, mich in diesem Punkte zu äußern. Daß ich mich und mein Haus gegenüber allen charitativen Verpflichtungen voll und ganz zur Verfügung gestellt habe, ist selbstverständlich und kann von dem Bürgermeister in Sickte jederzeit bestätigt werden. Über meine Tätigkeit als Arzt kann sicher der zuständige Kreisarzt T. Mühlert in Braunschweig ein Urteil abgeben. Ich habe mich niemals einer strafbaren Handlung schuldig gemacht und bedaure aufs tiefste die von mir gemachten Äußerungen, die meiner Überzeugung nicht entsprechen und von mir in einem heute nicht mehr festzustellenden Zustande gemacht worden sind. Mit Rücksicht darauf, daß ich unbestraft bin und meine Handlung ernstlich bereue, bitte ich um Gnade und Umwandlung der Todesstrafe in eine Freiheitsstrafe, im Hinblick auf meine beiden kleinen Töchter bitte ich darum.
gez. Julius Bockemüller.
Gnadengesuch von Julius Bockemüller, 2. März 1943
Bundesarchiv R 3017/30136
Protokoll der Hinrichtung von Julius Bockemüller, 22. April 1943
Bundesarchiv R 3017/6