Julius Breyer

16. September 1893, Detroit – 1. Dezember 1942
Julius Breyer

Erkenungsdienstliches Foto von Julius Breyer

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 12 C Berlin II, Nr. 16484

Julius Breyer kommt als Sohn einer jüdischen Mutter und eines ungarischen Vaters in Detroit zur Welt. Nach der Scheidung der Eltern zieht er mit seiner Mutter, die ihn im jüdischen Glauben erzieht, nach Deutschland. Er ab­solviert eine kaufmännische Lehre in der Konfektions­branche und nimmt am Ersten Weltkrieg teil. 1923 heiratet er und arbeitet als Vertreter für Herrenbe­kleidung.
Julius Breyer unterhält Beziehungen zu verschiedenen Frauen. Seit dem Erlass der „Nürnberger Rassengesetze” sind sexuelle Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen verboten. Im Februar 1937 wird Breyer wegen „Rassenschande” zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.
1940 wird die Haft unterbrochen, da er sich im jüdischen Krankenhaus in Berlin mehreren Operationen unter­ziehen muss. Als er im November 1941 die Haft erneut antreten soll, taucht er unter und lebt versteckt in Berlin. Im Juli 1942 wird seine Mutter, die ihn teilweise unter­stützt hat, deportiert. Sie stirbt am 4. September 1943 im Ghetto Theresienstadt.
Julius Breyer sichert sein Überleben durch den illegalen Erwerb von Lebensmittelkarten. Am 3. August 1943 wird er festgenommen. Ihm wird „Schieberei” mit bezugsbe­schränkten Lebensmitteln und Zigaretten sowie der Verstoß gegen Preisvorschriften vorgeworfen.
Julius Breyer wird am 24. Oktober 1942 vom Sonder­gericht IV beim Land­gericht Berlin wegen Verstoßes gegen die „Kriegs­wirtschaftsverordnung” zum Tode verurteilt. Ein von Breyer gestelltes Gnadengesuch wird erst nach der Vollstreckung des Urteils weitergeleitet.
Julius Breyer wird am 1. Dezember 1942 im Straf­gefängnis Plötzensee ermordet.

Dokumente

Gefangenenkarte von Julius Breyer

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 12 C Berln II, Nr. 16485

Tenor des Urteils gegen Julius Breyer, Ausfertigung vom 29. Oktober 1942

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 12 C Berln II, Nr. 16485


Absender:
Julius Israel Breyer
Berlin-Plötzensee, den 30.10.1942
Gefängnis
Sonderger. IV.
Aktenzeichen: 1 Gew. Kls. 85/42
1249/42
Nachtrag zum Gnadengesuch


An das Sondergericht IV. in Berlin:

Zur ergebenen Weitergabe.
Der Verurteilte Jul. Isr. Breyer jüd. Mischling geb. 16.9.1893. zu Detroit: U.S:A. bittet aus nachfolgenden Gründen ergeb. um Weitergabe u. Befürwortung seines Gesuches um Umwandlung der Todesstrafe.
Durch die Frühzeitige Scheidung meiner jüdischen Mutter von meinem arischen Vater (A__ R__)
nach der Rückkehr von Amerika 1900, kam ich schon mit 16 Jahren allein nach Stettin in Stellung als Einrichter. Da meine Staatsangehörigkeit von 1900-1914 von mir unter den damaligen Verhältnissen nie ganz geklärt war, (s. Polizeianmldg. 1908-1915 Staatsangeh.?) u. meine Firma ebenfalls infolg. der Einziehung des Inhabers schloß, meldete ich mich freiwillig zur Untersuchung in Stettin um Einstellung zur Fliegertruppe. Ich wurde nach Brandenburg/Havel gezogen u. kam zur Flg.-Ersatz-Abtlg 1., Altenburg zur Ausbildung, von dort zur Funkerabtg. zur Flg.-Ers.-Abtg 3. Gotha. Von dort ins Feld nach d. Art.-Flg.Abtg. Doblern (Kurland) u. war bis z. Einnahme u. Schlacht b/Riga dort. - 1917 kam ich z. Feldflgabtg. No. 225. vor St. Quentin (Origny le petit) als Funker.



Im Frühjahr 1918 kam ich durch Sturz u. Zusammenbruch b/der Flg.Artilleriebeobachtung im Wald von St. Quentin (Eingeweidebrüche) nach dem Feldlaz. Guise u. von dort Mai 1918. nach dem Lazarett: Siegburg. Im September 1918 wurde ich als D.A. mit Rente 110.- nach Liegnitz beurlaubt. Dort war ich noch 6 Monate auf dem Flugplatz tätig u. half dem Flg.-Herot: Brieg o/S, das von den Polen gelöst wurde, abwickeln. -
Ich habe die Oberrealschule, Liegnitz besucht u. nach der Lehre als Baufunktionär die Webschule u. Zuschneideakademie; der Aktenvermerk über meine Geldausgaben in Liegnitz erklärt sich durch die Vermögenslage meiner Mutter, die die Niederlassungen der Berliner Corsetfabrik von W u. G. Neumann, Berlin, für Schlesien seit 1900 bis 1938 hatte. - Die erwähnte Frau war schon 1919 meine spätere Frau Lisb. Jankowski, Tochter des deutschen Zeughauswaffenmeisters J. Jankowski, die ich 1923 in Köln heiratete.
Meine beiden Schwäger sind in Liegnitz der Apotheker D. Benedik, der andere Rechtsanwalt u. Rechtvertreter der N.S.K.K. Liegnitz, als Offizier in diesem Kriege verwundet u. entlassen. -
Meine beiden Neffen wo meine Frau in Glinicke wohnt, ist der Rudi Urban U.-Offizier der Panz.-Motorradtr. u. der jüngere seit Januar 1941 freiwillig bei der S.S. Truppe. - Ich selbst habe nach dem Kriege stets gearbeitet u. in guten Verhältnissen gelebt.
Meine Vorstrafen von 1924 rekrutieren sich aus den damals bestehenden Verhältnissen der Inflationskonfektion, was aus den geringen


Blatt: II. Berlin-Plötzensee, den 30.10.1942.

Geldstrafen ersichtlich ist. -
Zu der Bestrafung wegen Rassenschande bitte ich gehorsamst die Anmerkung des Landgerichts Wuppertal betr. meiner Ehe zu berücksichtigen, da meine Frau seit 1930 an Kopfmeirose u. Nervenzerrüttung litt u. 1935/36 Monatelang im St. Joseph.hospital, Wuppertal lag u. heute bei Ihrer Schwester Frau Dr. ___ Urban, Glienike wohnt u. betreut wird. -
Ferner habe ich in Berlin noch meine Cousine Modesalon Hetty Lenk, Kurfürstendamm u. deren Brüder, von denen der ältere Als Arzt u. der jüngere als Anwalt von der Universität Leipzig 1938 zugelassen sind.
Da ich November 1940 vorzeitig aus der Strafanstalt entlassen wurde, geschah um meine Kriegsbeschädungen operativ zu bessern, da ich mich auch durch Arbeit in der Militärschneiderei u. tadellose Führung gehalten hatte. Ich habe nach 2 maliger Operation insgesamt 8 Monate im Krankenhaus gelegen u. 2 Monate an Stöcken gelaufen (S. Atteste u. Gerichts___ z. Untersuchung.) -
Ich habe mich lediglich wissentlich strafbar gemacht, indem ich mich nach Aufforderung in die


Strafanstalt zurückzukehren in Berlin unangemeldet bei meiner 78 jährigen Mutter aufhielt. - Da ich durch meine Mutter genügende Geldmittel a 300.- monatlich u. reichliche Ausstattungsgarderobe erhielt, hatte ich im Gegensatz zur A___ die Anklage in keiner Weise nötig mich strafbar zu machen. Ich gab zu, mir seit April 42 von Bekannten Marken, die mir nicht zustanden eingetauscht zu haben, jedoch lediglich der Not gehorchend zu meinem eigenen Einkauf zum leben in Brot u. Nährmitteln. Keinesfalls geschah meinen Handlungen um Volkischädigend zu handeln, da ich bei Bedarf reichlich von m/ Mutter erhalten konnte u. außerdem von meinen anderen vermögenden arischen Angehörigen. Einzelnähere Angaben darüber wären einen gemeinen Gesinnung gegenüber den Leuten gewesen die mir helfen wollten. - Ich habe mich strafbar gemacht, jedoch wohl nicht im Sinne als gewohnheitsverbrecher o. Einbrecher der Volksschädlingsverordnung.
Ich bitte gehorsamst, mir den Gnadenerweis nicht zu versagen u. mir durch eine Umwandlung in eine Freiheitsstrafe Gelegenheit meine Pflicht zu tun wie ich solche einmal als Soldat freiwillig für Deutschland auch getan habe.
Ich bin bereit, meine Vergehen durch eine besonders gelagerte Art zu sühnen.
Julius Israel Breyer.

Gnadengesuch von Julius Breyer

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 12 C Berlin II, Nr. 16483

Ablehnung eines Gnadenerweises für Julius Breyer, 19. November 1942

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 12 C Berlin II, Nr. 16483

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